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Beckenbodentraining
05.12.2023

Beckenbodentraining: Neue Wege gegen Inkontinenz

Inkontinenz ist für viele Betroffene ein Tabuthema, über das sie nicht einmal mit ihrer Ärztin oder ihrem Arzt sprechen: Aus Scham verschweigen sie, dass sie Blase oder Darm nicht mehr richtig unter Kontrolle haben, sodass es immer wieder zum ungewollten Verlust von Harn oder Stuhl kommt. Das muss nicht sein! Denn es gibt heute verschiedenste Therapien, die eine Heilung oder Linderung der Beschwerden ermöglichen und somit auch die Lebensqualität verbessern. 

Häufig, wenn auch nicht immer, spielt bei Inkontinenz-Problemen eine Beckenbodenschwäche (auch Beckenbodeninsuffizienz oder -dysfunktion genannt) eine Rolle. Dann kann bereits die gezielte Stärkung der geschwächten Muskulatur viel bewirken. Sie hilft übrigens auch vorbeugend, die Körpermitte straff zu halten. Inzwischen gibt es dafür sogar ein personalisiertes digitales Trainingsprogramm, mit dem man zuhause aktiv werden und den eigenen Erfolg kontrollieren kann, ohne dass ein Sensor in den Körper eingeführt werden muss. 

Der Beckenboden im Blick: Wo liegt er und was leistet er? 

Vereinfacht gesagt handelt es sich beim Beckenboden um eine Muskelplatte aus drei gitterförmig übereinanderliegenden Schichten, die unser Becken und damit ebenfalls den Bauchraum nach unten hin verschließt. Dieses Geflecht spannt sich wie ein Segel zwischen den Schambeinknochen (vorne), dem Kreuz- und Steißbein (hinten) sowie entlang der beiden Sitzbeinhöcker (seitlich und leicht nach oben gezogen) auf. Für den Enddarm, die Harnröhre und bei Frauen auch die Scheide existieren Öffnungen nach außen. 

Der Beckenboden erfüllt bei beiden Geschlechtern wichtige Funktionen, unter anderem diese: 

  • Er trägt einen großen Teil des Gewichts der Organe im Unterleib, etwa der Blase, des Darms sowie bei Frauen der Gebärmutter, und verhindert deren Absinken. 

  • Er unterstützt den Verschluss von Harnröhre und After.  

  • Zudem federt er Druckerhöhungen im Bauchraum ab, wie sie beispielsweise beim Husten, Niesen oder Pressen entstehen. 

Verliert der Beckenboden an Spannkraft, kann es zur Harn- oder Stuhlinkontinenz kommen.

Häufige Komplikation: Kontrollverlust an der Blase 

Von Blasenschwäche oder Harninkontinenz spricht man, wenn der Zeitpunkt des Wasserlassens nicht mehr selbst bestimmt werden kann, es also zum unwillkürlichen, unkontrollierten Urinverlust kommt. Wie viele Erwachsene in Deutschland darunter leiden, ist aufgrund der hohen Dunkelziffer unklar. Schätzungen schwanken zwischen 6 und über 8 Millionen Betroffenen, wobei die Häufigkeit des Auftretens mit dem Alter zunimmt. 

H3: Welche Formen der Blasenschwäche gibt es? 

Es gibt mehrere Arten der Blasenschwäche. Zu den wichtigsten zählen: 

  • Belastungsinkontinenz (Stressinkontinenz): Dabei tritt der unfreiwillige Urinverlust ohne Vorwarnung beziehungsweise Harndrang auf - und zwar vor allem bei Aktivitäten, die zur abrupten Erhöhung des Drucks im Bauchraum führen: Beim Husten, Niesen, Lachen, Heben, Tragen, Springen oder Treppensteigen verliert man einige Tropfen oder mehr Harn. Unter Frauen ist dies die insgesamt häufigste Inkontinenzform. Sie steht oft mit einer Schwächung der Beckenbodenmuskulatur im Zusammenhang, die zum Beispiel durch Schwangerschaften, Geburten, hormonelle Umstellungen in den Wechseljahren, starkes Übergewicht oder Alterungsprozesse hervorgerufen werden kann. Rauchen, chronischer Husten sowie eine genetische Veranlagung können den Beckenboden zusätzlich schwächeln lassen. Männer leiden selten unter Belastungsinkontinenz, bei ihnen tritt sie vor allem nach Prostata-Operationen auf. 

  • Dranginkontinenz: Sie äußerst sich in einem unwillkürlichen, von einem plötzlichen Harndrang begleiteten Urinabgang. Das Wasserlassen lässt sich mitunter nicht mal bis zum Erreichen der Toilette unterdrücken. Die Blase leert sich meist im Strahl, selbst wenn sie kaum gefüllt ist. Diese Inkontinenzform ist unter Männern in jeder Lebensphase sowie unter Frauen im fortgeschritteneren Alter die häufigste. 

    Dranginkontinenz kann auch Teil des Syndroms der überaktiven Blase sein: Seine Kennzeichen sind ein sehr häufiger und schwer unterdrückbarer Harndrang. Er kann mit einem unfreiwilligen Urinverlust verknüpft sein, muss es aber nicht. 

  • Mischinkontinenz: Hier treten Belastungs- und Dranginkontinenz in Kombination auf, wobei die Gewichtung der beiden Störungen sehr unterschiedlich ausfallen kann. 

Stuhlverlust: Wenn der Darm nicht richtig „dichthält“ 

Wird Darminhalt abgesondert, ohne dass man es möchte und steuern kann, spricht man von Darmschwäche, Darminkontinenz oder Stuhlinkontinenz. Laut der Deutschen Kontinenz Gesellschaft leiden schätzungsweise 5 Prozent der Bundesbürger darunter. Häufiger sind Frauen nach mehreren Geburten, Menschen nach Krebsoperationen und ältere Personen betroffen. 

Stuhlinkontinenz kommt in unterschiedlichen Ausprägungen vor. Es ist möglich, dass Winde und Darmschleim abgehen, sodass die Unterwäsche immer wieder leicht verschmutzt wird. Manche Menschen können flüssigen Stuhl nicht mehr halten, andere auch den fest geformten nicht. Hinter solchen Störungen können viele mögliche Ursachen stecken, darunter beispielsweise Schädigungen von Nerven, die an der Steuerung der Darmentleerung beteiligt sind, Schäden des Schließmuskels am After, ein geschwächter Beckenboden, chronisch-entzündliche Darmerkrankungen, Störungen der Reizwahrnehmung oder psychische Probleme. 

Scham und Ängste überwinden: Gehen Sie zum Arzt! 

Sowohl Harn- als auch Stuhlinkontinenz sind oft heilbar oder lassen sich zumindest deutlich bessern. Daher sollten Betroffene mögliche Ängste überwinden und einer Ärztin oder einem Arzt ihres Vertrauens ohne falsche Scham detailliert von ihren Beschwerden berichten. Je eher sie das tun, desto besser!  

Bei Bedarf kann zur genauen Abklärung und Therapie eine Überweisung zu bestimmten Fachärztinnen oder -ärzten oder an ein zertifiziertes Kontinenz- und Beckenbodenzentrum erfolgen.  

Bewährte Therapien und neue Ansätze: Wie wird Inkontinenz behandelt? 

Je nach Inkontinenzform und -schwere gibt es eine Vielzahl bewährter Behandlungsmöglichkeiten, beispielsweise Verhaltenstraining, Beckenbodentraining mit oder ohne Elektrostimulation, verschiedene Medikamente, Verfahren zur Nervenstimulation, Operationen. Darüber hinaus können Hilfsmittel verordnet werden, die im Alltag entlasten: beispielsweise spezielle Pessare (kleine Schalen, Würfel oder Ringe aus Gummi oder Silikon, die in die Scheide eingeführt werden, um den Organen im Becken mehr Halt zu geben), Inkontinenz-Einlagen oder sogenannte Urinalkondome, um bei Männern Harn aufzufangen. 

Kräftigung der Körpermitte: Personalisiertes Training mit digitaler Unterstützung 

Übungen zur Kräftigung der Muskeln des Beckenbodens sollten Erkrankte möglichst unter Anleitung einer Physiotherapeutin oder eines Physiotherapeuten erlernen und zuhause weiterführen. Es gibt auch Apps, die dabei unterstützen. Eine innovative Lösung zur Stärkung der Beckenbodenmuskulatur mit personalisiertem Trainingsplan und individueller Erfolgskontrolle, für die keine Sonde in den Körper eingeführt werden muss, bietet beispielsweise Acticore. Bei diesem neuartigen Programm setzt man sich bekleidet auf einen Sensor, der die bewusst ausgelösten Kontraktionen des wichtigsten Beckenbodenmuskels misst - und die Erfolge mithilfe einer spielerischen App an die Trainierenden zurückmeldet. So lernt man nach und nach, den eigenen Beckenboden zu fühlen, gezielt anzusteuern und fitter zu machen. 

INTER Gesundheitsservice: Wir sind für Sie da! 

Privat Krankenversicherte der INTER Versicherungsgruppe erhalten das innovative Beckenboden-Trainingsgerät von Acticore und wir erstatten Kosten im Rahmen ihres Tarifs. Dazu wird die Rechnung einfach über die Meine INTER App eingereicht. 

Darüber hinaus unterstützen wir Menschen mit Inkontinenz bei der Beschaffung bedarfsgerechter individueller Hilfsmittel. Informationen dazu finden Sie im Gesundheitsservice. 

 

Quellen 

  1.  https://gesund.bund.de/inkontinenz-und-blasenschwaeche

  2. https://www.kontinenz-gesellschaft.de/wp-content/uploads/2023/04/Informationsbroschuere-DKG_Harn-und-Stuhlinkontinenz_03-2023.pdf

  3. https://www.kontinenz-gesellschaft.de/fuer-patienten/info/vorbereitung/

  4. https://www.usz.ch/krankheit/beckenbodenschwaeche/

  5. https://www.gesundheitsinformation.de/wie-funktioniert-ein-beckenbodentraining.html

  6. https://www.gesundheit.gv.at/leben/eltern/nach-der-geburt/beckenboden-uebungen.html

  7. https://www.pschyrembel.de/beckenboden/K03HF/doc/

  8. https://www.mdr.de/ratgeber/gesundheit/blasenschwaeche-hilfe-beckenbodentraining-100.html

  9. www.usz.ch/krankheit/inkontinenz/

  10. https://edoc.rki.de/bitstream/handle/17690

  11. stiftung-gesundheitswissen.de/wissen/harninkontinenz/hintergrund

  12. https://register.awmf.org/assets/guidelines/015-091l_S2k_Harninkontinenz-der-Frau_2022-03.pdf 

  13. https://register.awmf.org/assets/guidelines/084-001l_S2e_Harninkontinenz_geriatrische_Patienten_Diagnostik-Therapie_2019-01.pdf

  14. https://www.gesundheitsinformation.de/wie-funktioniert-ein-beckenbodentraining.html

  15. https://www.zqp.de/thema/inkontinenz/

  16. https://www.zqp.de/wp-content/uploads/ZQP-Ratgeber-Inkontinenz.pdf

  17. https://www.urologenportal.de/fileadmin/MDB/PDF/Inkontinenz.pdf

  18. www.stiftung-gesundheitswissen.de/wissen/harninkontinenz/hintergrund

  19. www.kontinenz-gesellschaft.de/wp-content/uploads/2022/11/DKG_Stuhlink_05-14.pdf

  20. https://www.usz.ch/krankheit/stuhlinkontinenz/

  21. https://www.usz.ch/diese-tipps-und-uebungen-staerken-den-beckenboden/

  22. https://www.kontinenz-gesellschaft.de/fuer-patienten/info/unmittelbare-abhilfe/

  23. https://www.kontinenz-gesellschaft.de/fuer-patienten/info/tipps-uebungen/

 

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